Der Begriff der ‚Clankriminalität‘ ist seit einigen Jahren fester Bestandteil des öffentlichen Diskurses um Kriminalitätsphänomene mit besonderem Bedrohungspotential. Der Beitrag blickt aus einer soziologisch-kriminologischen Perspektive auf den Begriff sowie den gesellschaftlichen und sicherheitsbehördlichen Umgang damit. Es soll aufgezeigt werden, dass der entsprechende Diskurs sowie die sicherheitsbehördlichen Praktiken zu einer rassistisch orientierten Kriminalisierung einer spezifischen ethnischen Gruppe führen und die Anhaltspunkte, die auf ein spezifisches Kriminalitätsphänomen schließen lassen, bis dato kaum vorhanden sind. Die Grundlage des Beitrags bildet das Verbundprojekt KONTEST, das sich aus wissenschaftlicher und praxisbezogener Sicht mit der Kriminalisierung und Kriminalität großfamiliär begründeter Strukturen beschäftigt.
Der Vortrag konzentriert sich auf die wichtigsten aufenthaltsrechtlichen Auswirkungen von Straftaten. Zum Einstieg wird kurz das migrationsrechtliche System und die unterschiedlichen Statusgruppen sowie im Zusammenhang damit die jeweils anzuwenden Rechtsvorschriften dargestellt, um die Einordnung der unterschiedlichen Personengruppen im Migrationsrecht zu erleichtern. Der Vortrag ist begrenzt auf eine Auswahl von aufenthaltsrechtlichen Auswirkungen von Straftaten: Es werden in diesem Zusammenhang insbesondere die praxisrelevanten Fragen der drohenden Ausweisung und Abschiebung sowie das damit zusammenhängende Einreise- und Aufenthaltsverbot, die Konsequenzen für die Erlangung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels oder den Einfluss auf die verschiedenen Legalisierungsmöglichkeiten (sog. „Spurwechsel“) von geduldeten Personen in den Blick genommen.
Das Fetale Alkoholsyndrom mit all seinen Implikationen ist eines der wenigen Störungsbilder in der Medizin, welches durch eine Alkoholabstinenz in der Schwangerschaft zu 100 Prozent zu verhindern wäre. Die Prävalenz schwankt deshalb abhängig vom Konsumverhalten in der jeweiligen Bevölkerung, liegt aber in Europa bei ca. 2%. Nach den Kriterien der Leitlinie: Wachstumsauffälligkeiten, faziale und ZNS- Auffälligkeiten lässt es sich klinisch relativ leicht diagnostizieren. ADHS gehört zu den häufigsten Komorbiditäten. Da sowohl die schulische als auch berufliche Bewährung primär durch das FAS und sekundär durch die Komorbiditäten stark beeinträchtigt sind, kommt es überproportional häufig zu delinquenten Entwicklungen. Eine solche wird an einem forensischen Begutachtungsfall exemplarisch erläutert.
Vortrag am Dienstag, 8. November 2022 mit Paul Schneider, Diplom-Sozialpädagoge, Leipzig
Der Jugendstrafvollzug ist das letztes Mittel im Jugendstrafrecht, um Erziehungsdefizite auszugleichen. Doch die zukunftsorientierte Arbeit mit den Gefangenen in geschlossenen Unterbringungsformen ist beschränkt – und wirkt sich gleichzeitig nachteilig aus.
Im Jugendstrafvollzug gibt es die Möglichkeit, Jugendliche und Heranwachsende im Jugendstrafvollzug in freien Formen nach unterzubringen. Diese Form des Vollzugs wird zurzeit in Baden-Württemberg und Sachsen durchgeführt. Ein Modell auch für andere Bundesländer?
Mehr als 10 Jahre betreibt der Verein Seehaus e.V. nun diese Form des Vollzugs. Paul Schneider leitet das Seehaus in Leipzig. Er wird diese Form des alternativen Vollzugs vorstellen und von Angeboten, Schwierigkeiten und Erfahrungen berichten – vielleicht als Modell für andere Bundesländer?
The United States, lagging behind Germany and many other European countries, has recently begun to examine the age jurisdictions (lower and upper) for the youth justice system. The result is that a growing number of states have been adopting innovative practices, policies and laws to better serve both younger youth (under age 14) and older youth (ages 18 and over) in the youth justice system. This presentation will describe these initiatives and discuss possible implications for reforms in the future.
Vortrag am Donnerstag, 07. April 2022 mit Prof. Dr. Jens Borchert, Hochschule Merseburg
Wie ist der Stand politischer Bildung im deutschen Jugendstrafvollzug? Welche Angebote, Bedarfe und Leerstellen können identifiziert werden? Diesen und weiteren Fragen widmete sich eine Studie, die im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung in den Jahren 2018 und 2019 durchgeführt worden ist. Das Team aus Forscher*innen der Hochschule Merseburg interviewte Mitarbeiter*innen aus den Jugendanstalten, Beschäftigte bei externen Projekten und befragte Jugendstrafgefangene. In dem Vortrag stellt der Projektleiter Jens Borchert wesentliche Ergebnisse und Handlungsempfehlungen vor.
Vortrag am Donnerstag, 24. Februar 2022 mit Prof. Dr. phil. Johannes Lohner, Hochschule Landshut
In den Lebensläufen von Gewalt- und Sexualstraftätern finden sich immer wieder zahlreiche und sehr schwerwiegende Formen von Traumatisierungen. Dabei handelt es sich typischerweise um Bindungstraumata. Diese Beobachtung lässt sich nicht als zufällige Koinzidenz interpretieren, sondern deutet auf einen Zusammenhang zwischen den Erlebnissen in der eigenen Kindheit und späterer Gewaltdelinquenz hin.
Im Vortrag wird zunächst auf traumatische Wirkmechanismen eingegangen und wie diese die Entwicklung der Straftäter beeinflussen. Dadurch lassen sich Unterschiede zwischen „normaler“ und dissozialer Persönlichkeitsentwicklung erklären. Diese Unterschiede betreffen typischerweise die Wahrnehmung, die Emotionsverarbeitung, das Denken, die Beziehungsgestaltung und das Verhalten generell. Außerdem wird der „Sinn“ einer Gewalttat für einen Menschen betrachtet, der ein Trauma erlitten hat.
Der Vortrag versucht Gründe für den Zusammenhang zwischen Entwicklungstraumata und Gewaltstraftaten aufzuzeigen und stellt Überlegungen zu einer juristischen Würdigung dieser Traumata an, bspw. im Rahmen einer Verhandlung und gibt Hinweise zu einer Behandlung der Täter unter dem o.g. Gesichtspunkt.
Vortrag vom 25. Oktober 2022 mit Uli Streib-Brzič und Lars Schäfer, ifgg, Berlin
Das systemisch-lösungsorientierte Antigewalttraining TESYA erkundet mit den Jugendlichen, was ihre Wut und Aggression bedeuten könnte, welches Gefühl sich möglicherweise hinter der Wut verbirgt und: wie sie sie produktiv – und ohne andere oder sich selbst zu verletzten – nutzen könnten. Im Training werden Strategien entwickelt, wie es sich cool anfühlen könnte, auf Provokationen nicht einzusteigen und trainiert mit ihnen, wie sie ihre Impulse steuern können. Die Analyse ihrer Straftaten und der Konfliktsituationen, in die sie sich hineinziehen lassen oder sie auch gezielt aufsuchen, ist nicht ausschließlich im Fokus, ebenso bedeutsam ist es, mit ihnen ihre Ressourcen zu identifizieren und das, „wo es sie im Leben hinzieht“, d.h. was sie als Ziel vor Augen haben.
Das TESYA-Antigewalttraining ist als Jugendhilfe-Maßnahme im JGG und SGB VIII verankert. Flankierend dazu ist ein Elterncoaching vorgesehen, das die Wirkung unterstützt.
inside.out [engl.: etwas von innen nach außen drehen; umkrempeln, alles steht Kopf] heißt das neue Coachingprogramm für Eltern, das sich an zwei Zielgruppen richtet:
- an Eltern, die inhaftiert sind, deren Haftentlassung kurz bevorsteht und die sich im Übergang in das Leben „draußen“ befinden – eine äußerst vulnerable Phase, wie Forschungen zeigen, bei der sich die Weichen stellen, ob der Vorsatz, straffrei zu leben, gelingt und
- an Eltern, deren Kinder inhaftiert sind oder von einer Inhaftierung bedroht sind, und die sich oftmals mit Selbstvorwürfen belasten, Scham empfinden, und sich fragen, wie sie ihren Kindern zeigen können, dass sie hinter ihnen stehen – ohne die Tat zu rechtfertigen.
Das Modellprojekt inside.out wurde 2020 durch das ifgg – Institut für genderreflektierte Gewaltprävention gGmbH konzipiert und mit der Förderung durch das Programm Demokratie leben! des BMFSFJ gefördert. Es wird in Kooperation mit Justizvollzugsanstalten und Jugendstrafanstalten in Berlin und Brandenburg umgesetzt.
Vortrag vom 07. Oktober 2021 mit Anja Michaelis, Sozialarbeiterin in der Bewährungshilfe, Berlin
Die Berliner Bewährungshilfe für Jugendliche und Heranwachsende stellt (neben der Jugendbewährungshilfe in Hamburg) aufgrund der Spezialisierung der Arbeit mit dieser jungen Zielgruppe bundesweit eine Besonderheit dar. Darüber hinaus ist sie nicht der Berliner Justizverwaltung sondern der Senatsverwaltung für Jugend angegliedert. Durch das Gericht u.a. mit Bewährungsüberwachungen beauftragt, ist es das Ziel der Bewährungshelfer*innen, die jungen Menschen zu befähigen, zukünftig ein Leben ohne Straftaten zu führen. Die darauf ausgerichteten Interventionen und Angebote sind dem Erziehungsgedanken des JGG verpflichtet. Bewährungshelfer*innen für Jugendliche und Heranwachsende handeln demnach in einem besonderen Maße im Spannungsfeld zwischen Hilfe und Kontrolle. Der Vortrag soll einen Einblick in die Organisationsstruktur und die sozialpädagogische Arbeit der Bewährungshelfer*innen in Berlin geben.
Berlin verfügt über ein breites Angebot ambulanter sozialpädagogischer Leistungen nach dem Jugendgerichtsgesetz (JGG), um den Jugendgerichten sowie den Jugendhilfen im Strafverfahren, zu ermöglichen Auflagen und Weisungen erzieherisch zu gestalten. Die Landschaft der ambulanten sozialpädagogischen Angebote ändert sich stetig, abhängig von gesellschaftlichen Anforderungen. Zusätzlich zu den ambulanten Maßnahmen nach dem JGG hält die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie eine Reihe von Projekten vor, die im Bereich der primären, sekundären und tertiären Prävention tätig sind.
Wir möchten Ihnen einen Überblick über die Angebotspalette in Berlin bieten. Gern möchten wir mit Ihnen über den aktuellen Bedarf ambulanter sozialpädagogischer Angebote nach dem JGG, für junge Menschen, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten, diskutieren.
Jugendsachbearbeitung und die interdisziplinäre Zusammenarbeit innerhalb der Polizei Berlin
Vortrag vom 28. April 2021 mit
KHK’in Maria Spielmann, Sachbearbeiterin der Zentralstelle für Prävention, LKA Präv 2 – Fachbereich Jugenddelinquenz, Berlin
KHK’in Janine Frey, Landespolizeidirektion, Stab 42 – Jugend- und Diversionsbeauftragte
KOK’in Kathrin Kittelmann, Polizeidirektion 1, KK 32 TOI
PHK Robert Hintelmann, Polizeidirektion 1, KK 32 TOI
Bei der Berliner Polizei hat das Thema Jugenddelinquenz einen hohen Stellenwert. Der Fokus liegt dabei neben der Repression auch insbesondere auf der Ausschöpfung von kriminalpräventiven Möglichkeiten. Hierzu hat sich die Polizei Berlin in Teilbereichen neu aufgestellt, um die Jugendsachbearbeitung und Präventionsmöglichkeiten zu stärken. Auch innerhalb der Neustruktur der Polizei Berlin wurde diesem Aspekt mit der Einrichtung von Jugendkommissariaten in den Direktionen Rechnung getragen. Ein besonderes Interesse innerhalb der Jugendsachbearbeitung liegt dabei nicht nur in der Erreichbarkeit der Zielgruppe, sondern auch in der interdisziplinären Zusammenarbeit. Wie sich die Polizei Berlin bzgl. dieser Aspekte aufgestellt hat, soll in diesem Vortrag dargestellt werden. Die grobe Vorplanung sieht vor, dass die Neustruktur anhand eines Organigramms und der Neuverteilung der Abschnitte erläutert wird, um einen Überblick vermittelt wird. Der Hauptfokus wird bei der Veranstaltung auf dem Thema Änderungen in der Jugendsachbearbeitung und Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe im Strafverfahren liegen. Hierbei soll allgemein auf die Jugendsachbearbeitung und speziell auf die Programme StrAus, TOI, TOE und die Jugendkommissariate eingegangen werden. Ggf. werden zu den einzelnen Bereichen Co-Vortragende den Fachvortrag bereichern.
Umgang mit der eigenen Ohnmacht und Trauer bei „hoffnungslosen Fällen“
Die Arbeit mit straffälligen jungen Menschen ist anstrengend und belastend, weil sie immer mit Selbstinvestition und Konzentration auf das Gegenüber, dessen Bedürfnissen und Empfindungen einhergeht. Sie fordert oft, die eigenen Bedürfnisse und Empfindungen zu ignorieren oder zumindest zu frustrieren. Die Prozesse sind individualisiert und meist wenig langfristig planbar. Vor diesem Hintergrund ist die Wahrscheinlichkeit auch bei scheinbar gleichen oder ähnlichen Aufgaben erfolglos zu sein, höher als bei anderen Berufsgruppen. Welche Kompensationsstrategien können Fachkräfte also anwenden, um eine nachhaltige Entlastung zu erfahren und gesund zu bleiben?
Covid‐19 und die Folgen im Strafvollzug in Deutschland und im internationalen Vergleich
Covid-19 hat zu weitreichenden Veränderungen im Jugend- und Erwachsenenstrafvollzug geführt mit eingeschränkten Kontakten (Besuche, Lockerungen) und Möglichkeiten der Gestaltung des Übergangs in die Freiheit. Andererseits haben sich innovative Kommunikationsformen (Haftraumtelefonie, Skype u. ä., Internetnutzung etc.) bewährt. Der Verzicht auf die Vollstreckung kurzer Freiheitsstrafen (insb. Ersatzfreiheitsstrafen), im Jugendstrafrecht des Jugendarrests könnten kriminalpolitisch richtungsweisend sein.
Der Referent gibt zugleich einen Einblick über Erfahrungen im Umgang mit Covid-19 im Strafvollzug im Ausland. Ein dazu in über 50 Ländern weltweit laufendes Forschungsprojekt wird im April 2021 abgeschlossen. Bis dahin bitten wir die Unterlagen nicht offiziell zu verwenden.
Polizeigesetze der Länder – aktuelle Entwicklungen
Die Polizeigesetze in Bund und Ländern befinden sich aktuell in einem umfassenden Veränderungsprozess. Zum einen besteht ein rechtlicher Anpassungsbedarf an Vorgaben der Europäischen Union etwa zum polizeilichen Umgang mit Daten sowie an Leitlinien der Verfassungsrechtsprechung, zum anderen führen die tatsächlichen Entwicklungen verschiedener Kriminalitätsphänomene zur Notwendigkeit einer Optimierung präventiv-polizeilicher Eingriffsbefugnisse. „Neue“ rechtliche Kategorien wie z. B. die „drohende Gefahr“ sowie erweiterte Möglichkeiten der Polizei haben zu teilweise sehr vehement vorgebrachter Kritik geführt. Der Vortrag beleuchtet die aktuellen Entwicklungen der Polizeigesetze, greift die kritischen Diskussionen auf und verdeutlicht an ausgewählten Beispielen die Bedeutung der neuen gesetzlichen Regelungen namentlich für Kinder und Jugendliche.